Ist eine Promille-Höchstgrenze für Medikamente im Straßenverkehr sinnvoll?
Gesundheitsnews 10. Februar 2020 Dr. Polwin-Plass Lydia
Auch für Krebspatienten ist Autofahren wichtig und bedeutet Unabhängigkeit, Freiheit und Mobilität. Ob für Fahrten zum Arzt, ins Krankenhaus oder zur Arbeit – oft sind diese Menschen auf ihr Auto angewiesen. Wenn Medikamente im Spiel sind kann es dennoch problematisch werden. Denn ungefähr ein Fünftel aller zugelassenen Arzneimittel kann nach den Angaben ihrer Hersteller die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums erläuterte die Rechtslage und erklärt was erlaubt ist, worauf zu achten ist und welche Alternativen sich notfalls anbieten.
Zytostatika zum Beispiel arbeiten an der Hemmung der Zellteilung. Die Medikamente sind dafür bekannt, Übelkeit und Schwindel zu verursachen und die Reaktionsfähigkeit zu beeinflussen. Ähnliche Nebenwirkungen haben auch monoklonale Antikörper, die bei bestimmten Formen von Brustkrebs und Magenkrebs eingesetzt werden. Dazu Dr. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes am Deutschen Krebsforschungszentrum gegenüber dem Gesundheitsportal: „Etwas Vergleichbares wie die Promillegrenze beim Alkohol gibt es für Medikamente nicht. Viele Arzneimittel zeigen starke individuelle Wirkunterschiede, so dass die Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit nur geschätzt werden kann. Daher empfehlen wir, auf den Rat des Arztes zu hören – zum eigenen Schutz und dem der anderen Verkehrsteilnehmer.“
Die Rechtslage
Laut Straßenverkehrsordnung ist das Autofahren unter Einnahme von Medikamenten erlaubt, wenn die Medikamente notwendig sind und von einem Arzt verordnet wurden. Der behandelnde Arzt verpflichtet sich jedoch, die Fahrtauglichkeit des Patienten zu beurteilen und ihn über die Gefahren in Kenntnis zu setzen. Ein Fahrverbot darf der Arzt allerdings nicht erteilen. Das ist juristisch nicht zugelassen. Ist ihm aber bekannt, dass ein Patient trotz Fahruntauglichkeit Auto fährt, so kann er dies der zuständigen Führerscheinstelle melden. Eine Verpflichtung dazu besteht jedoch nicht. Die Entscheidung liegt alleine in seinem ärztlichen Ermessen. Hierbei gilt es die ärztliche Schweigepflicht und die Verkehrssicherheit abzuwägen. Der Arzt kann sich die Warnung vom Patienten schriftlich bestätigen lassen. Der mündige Patient trifft die letzte Entscheidung selbst und trägt auch die volle Verantwortung für sein Verhalten im Straßenverkehr.
Ein Schwächeanfall, Übelkeit oder ein instabiler Kreislauf können im Straßenverkehr zu gefährlichen Situationen führen, daher ist der Patient verpflichtet vor Fahrtantritt, seine physische und psychische Fahrtauglichkeit selbstkritisch einzuschätzen.
Was passiert bei einem Unfall?
Kommt es unter Medikamenteneinnahme zu einem Unfall, kann der Versicherungsschutz insbesondere dann entfallen, wenn der Patient vom Arzt explizit auf seine Fahruntüchtigkeit hingewiesen wurde. Außerdem kann es zu strafrechtlichen Konsequenzen kommen. Zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe wegen fahrlässigen Eingriffs in den Straßenverkehr und, bei Personenschaden, wegen Körperverletzung.
Dazu Carmen Flecks, Juristin beim Krebsinformationsdienst: „Die Verantwortung für das Fahren und seine Folgen liegen allein beim Patienten. Dessen sollte sich jeder bewusst sein.“
Auch auf das Fahrrad umzusteigen, ist keine Lösung. Die meisten Bestimmungen gelten auch für alle anderen Transportmittel.
Was tun?
Für Fahrten zur Behandlung oder zur Reha, tragen gesetzliche und private Krankenkassen die Kosten, vorausgesetzt, es liegt eine ärztliche Verordnung vor. Je nach Situation erstatten sie größtenteils Ausgaben (mit Zuzahlung des Patieten) für öffentliche Verkehrsmittel, Taxi oder Krankenfahrdienste.
Der Krebsinformationsdienst bietet zum Thema „Autofahren bei Krebs“ ein Informationsblatt an. Es kann über den folgenden Link heruntergeladen werden: https://www.krebsinformationsdienst.de/wegweiser/iblatt/iblatt-auto-fahren-bei-krebs.pdf Der Dienst ist seit über 30 Jahren der Ansprechpartner für alle Fragen zu Krebs. Jeder kann sich mit seinen Fragen telefonisch und kostenlos täglich von 08:00 bis 20:00 Uhr unter 0800-420 30 40 sowie per E-Mail unter krebsinformationsdienst@dkfz.de an ihn wenden. Das Gute: Die Ärztinnen und Ärzte des Dienstes informieren wissenschaftlich fundiert, neutral und unabhängig.