Konstanzer Chemiker und Biologinnen entwickeln Mineralplastik mit guter biologischer Abbaubarkeit
AllgemeinGesundheitsnewsStudienUmweltnachrichten 27. Juli 2023 Dr. Polwin-Plass Lydia
Konstanzer Chemiker und Biologinnen entwickeln Mineralplastik aus nachhaltigen Grundbausteinen und finden gemeinsam eine Möglichkeit für eine effektive biologische Abbaubarkeit.
Der Kunststoff ist fest, nicht brennbar und besitzt eine Form von Selbstheilungskräften. Seine Herstellung erfolgt bei Raumtemperatur in Wasser, also energieeffizient und ohne giftige Lösungsmittel. Dabei ist er vor seiner Aushärtung frei nach Wunsch formbar – wie Kaugummi. Durch Wasserzusatz kann er zudem jederzeit wieder in seine „Kaugummi-Form“ gebracht werden und ist so beliebig oft durch Umformung recyclebar.
Entwickelt wurde der Kunststoff in der Arbeitsgruppe des Konstanzer Chemikers Helmut Cölfen, die das Mineralplastik bereits 2016 vorstellte. Doch auch wenn der Kunststoff mit seinem neuartigen Herstellungsverfahren und den tollen Materialeigenschaften seitdem auf großes Interesse durch die Industrie stößt, hatte er aus Sicht der Konstanzer Chemiker:innen noch ein entscheidendes Problem: Wegen seiner chemischen Zusammensetzung war er nur schwer biologisch abbaubar.
Mit neuem Grundbaustein abbaubar gemacht
„Bisher haben wir für die Herstellung unseres Mineralplastiks Polyacrylsäure verwendet. Chemisch betrachtet besitzt diese dasselbe Rückgrat wie Polyethylen, welches bekanntermaßen in der Umwelt große Probleme verursacht, weil es kaum biologisch abbaubar ist“, erklärt Cölfen. Die Konstanzer Chemiker:innen um Cölfen und Ilesha Avasthi, Postdoc in Cölfens Labor, machten sich daher ans Werk und begaben sich auf die Suche nach einem alternativen Grundbaustein, um ein umweltverträgliches Mineralplastik zu entwickeln, das die interessanten Eigenschaften des ursprünglichen Materials beibehält. Und sie hatten Erfolg.
In ihrer aktuellen Publikation in der Fachzeitschrift Small Methods stellen die Konstanzer Chemiker:innen nun die nächste Generation ihres Mineralplastiks vor. Anstelle von erdölbasierten Grundbausteinen wie der Polyacrylsäure besteht dieses aus Polyglutaminsäure. Das natürliche Biopolymer ist problemlos in großen Mengen verfügbar und kann sogar nachhaltig gewonnen werden. Beispielsweise aus biotechnologischer Produktion durch Mikroorganismen. Darüber hinaus gibt es bereits in der Umwelt eine Vielzahl von Mikroorganismen, die Polyglutaminsäure abbauen können.
„Unser neues Mineralplastik hat dieselben positiven Eigenschaften wie das alte, besitzt jedoch den entscheidenden Vorteil, dass sein Grundbaustein – die Polyglutaminsäure – mithilfe von Mikroorganismen hergestellt werden kann und vollkommen biologisch abbaubar ist“, so Cölfen.
Unterstützung von Biolog:innen
Um den Nachweis zu erbringen, dass diese biologische Abbaubarkeit auch für das neue Mineralplastik selbst und nicht nur für seine Ausgangskomponenten gilt, holten sich die Chemiker:innen Unterstützung von David Schleheck und Postdoc Harry Lerner vom Fachbereich Biologie der Universität Konstanz. „Herr Cölfen hat in seinem Labor ein neuartiges Mineralplastik entstehen lassen, und unsere Aufgabe war es nun, es mithilfe von Mikroorganismen wieder verschwinden zu lassen“, so Schleheck mit einem Augenzwinkern.
In entsprechenden Abbauversuchen konnten die Biologen beweisen, dass Mikroorganismen, die etwa in Waldböden zu finden sind, bereits nach wenigen Tagen mit der Verstoffwechselung des Mineralplastiks begannen. Nach nur 32 Tagen hatten die Mikroorganismen den Kunststoff vollständig abgebaut. Es ist den Forschenden also tatsächlich gelungen, das Mineralplastik mit all seinen positiven Materialeigenschaften zusätzlich nachhaltig und sehr gut biologisch abbaubar zu machen.
Faktenübersicht:
- Originalpublikation: I. Avasthi, H. Lerner, J. Grings, C. Gräber, D. Schleheck & H. Cölfen (2023) Biodegradable Mineral Plastics. Small Methods; doi: 10.1002/smtd.202300575
- Konstanzer Studie stellt nachhaltiges und biologisch abbaubares Mineralplastik vor
- Mineralplastik ist härter als gängige Kunststoffe, nicht brennbar und selbstheilend
- Kooperationsprojekt der Fachbereiche Chemie und Biologie der Universität Konstanz
- Förderung: Carl-Zeiss-Stiftung (Projekt INPEW)