Neue Zeckenarten und weit verbreitete FSME
AllgemeinGesundheitsnewsStudienUmweltnachrichten 27. April 2022 Dr. Polwin-Plass Lydia
Über 7.000 eingesendete Funde zeigen: Die Auwaldzecke verbreitet sich in ganz Deutschland. Genau wie der Holzbock kann auch diese Zeckenart Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen. Obwohl die FSME-Fälle insgesamt gesunken sind, zeigen sich regional starke Unterschiede. Die Ausbreitung der Erkrankung auch in Norddeutschland mache eine angepasste Impfstrategie notwendig. Zu diesem Ergebnis kamen die Zecken-Fachleute der heutigen Pressekonferenz an der Universität Hohenheim in Stuttgart im Vorfeld des 6. Süddeutschen Zeckenkongress. Der Kongress findet vom 28. bis 30. März statt.
Die FSME-Erreger werden durch europäische Zecken wie den europäischen Holzbock, aber auch die Auwaldzecke übertragen. In den Risikogebieten liegt die Wahrscheinlichkeit einer FSME-Infektion nach einem Zeckenstich bei 1:50 bis 1:100. Nach circa 10 Tagen treten grippeähnliche Symptome auf. Bei rund einem Drittel der Patienten kommt es nach einer vorübergehenden Besserung zu einem erneuten Fieberanstieg und einer zweiten Krankheitsphase.
Bei leichten Verläufen klagen die Patienten vorwiegend über starke Kopfschmerzen. Bei schwereren Verläufen sind auch Gehirn und Rückenmark beteiligt. Zu den Symptomen gehören Koordinationsstörungen, Lähmungen, Sprach- und Sprechstörungen sowie Bewusstseinsstörungen und epileptische Anfälle. Für ca. 1 % der Patienten endet die Krankheit tödlich. Ist die Krankheit erst einmal ausgebrochen, können nur die Symptome therapiert werden. Schützen kann eine Impfung.
Im Rahmen einer „Citizen Science“ Studie, die Bürger:innen dazu aufrief, Zeckenfunde einzusenden, sammelte Prof. Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim über 8.000 Zecken aus ganz Deutschland. „Der Großteil davon sind Zecken der Gattung Dermacentor, darunter vor allem die Auwaldzecke Dermacentor reticulatus. Die Einsendungen kamen aus allen Bundesländern. Daran sehen wir, dass sich die Auwaldzecke bundesweit ausbreitet.“
In ihrem Forschungsprojekt untersuchte Prof. Ute Mackenstedt außerdem die Verbreitung der Tropenzecken Hyalomma. Diese werden durch Zugvögel in Deutschland eingetragen.
Wetterbedingungen spielen tragende Rolle
Im Jahr 2021 wurden dem Institut nur 10 Tropenzecken zugesendet– in den Jahren 2019 und 2020 waren es bereits 191. „In den beiden Jahren hatten wir warme Sommer mit langen Trockenperioden, während die Temperaturen 2021 niedriger waren. Das deutet darauf hin, dass die Entwicklung der Tropenzecke von den Wetterbedingungen abhängt“, so Prof. Ute Mackenstedt
Mit mehr heißen Sommern mit langen Trockenphasen könnten sich auch die Tropenzecken in Deutschland weiterentwickeln. Sie übertragen gefährliche Krankheitserreger, zum Beispiel das Zecken-Fleckfieber.
Auwaldzecke überträgt FSME
Bereits jetzt stellen heimische Zecken ein Gesundheitsrisiko für Menschen dar. Dass der Holzbock FSME überträgt, ist bekannt. In den bundesweit verbreiteten Auwaldzecken wurde das FSME-Virus ebenfalls nachgewiesen. Durch Zeckenstiche können die Viren auf Menschen übertragen werden und zu FSME-Erkrankungen führen.
Höher gelegene Gebiete stärker von FSME betroffen
Im Vergleich zum Vorjahr gingen die FSME-Erkrankungen im vergangenen Jahr zurück: 2021 wurden 416 Fälle gemeldet, 2020 waren es 712 Fälle. Obwohl die Zahlen vor allem in Süddeutschland zurückgingen, treten die meisten Erkrankungen nach wie vor in Baden-Württemberg und Bayern auf.
„Wenn man einzelne Landkreise betrachtet, zeigen sich ganz unterschiedliche Entwicklungen“, sagt Dr. Rainer Oehme, Laborleiter des Landesgesundheitsamts im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg. „In manchen Kreisen nahmen die Fälle ab, in anderen traten hingegen mehr Fälle auf. Insgesamt sind in Süddeutschland besonders höher gelegene Landkreise betroffen.“ Das deute darauf hin, dass sich Zecken, die mit dem FSME-Virus infiziert sind, in höheren Gebieten bewegen. Auch auf Bundesebene gibt es regionale Unterschiede bei den FSME-Fällen.
FSME auch in Norddeutschland
„Während die Fallzahlen in Süddeutschland zurückgingen, breitet sich FSME in Norddeutschland zunehmend aus“, so Prof. Dr. Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. „Das deutet darauf hin, dass unterschiedliche Umweltfaktoren in den beiden Regionen Einfluss auf die Verbreitung der Krankheit haben.“ Diese Erkenntnis zeige weiteren Forschungsbedarf zur Epidemiologie der FSME und mache eine angepasste Impfstrategie erforderlich.
Foro: Katrin Fachet
Quelle: Uni Hohenheim