Die rückständige Bürokratie im Gesundheitssystem gefährdet Menschenleben
AllgemeinGesundheitsnewsWellness 14. Juni 2025 Dr. Polwin-Plass Lydia
Nach mehreren Gesprächen mit Mitarbeitenden im Gesundheitssystem und eigenen Erfahrungen tun sich gefährliche Abgründe auf. Die zum Teil völlig absurde, zeitraubende und rückständige Bürokratie in Spitälern sorgt für Behandlungsfehler, hohe Kosten und Personalmangel. Und wer badet es aus? Richtig: Die Patienten!
Immer wieder ist die Rede von Personalmangel in Krankenhäusern, zu wenig Bezahlung, zu lange Dienste und zu wenig Freizeit für die Mitarbeitenden. Und dass dadurch unser Gesundheitssystem ins Wanken gerät. Aber das stimmt so nicht ganz. Das Personal, egal ob Ärzte, Schwestern oder Pfleger, verdient gut und hätte auch genügend Zeit, sich wirklich den Patienten, also den Kunden zu widmen, wäre da nicht diese unfassbar umfassende, zeitaufwändige und rückständige Bürokratie. Dieser Befragungs,- Zettel- und Fragebogenwahnsinn, der letztendlich gar nichts bringt, außer, dass für die eigentlichen Aufgaben der Bediensteten zu wenig Zeit bleibt.
Ein Beispiel
Kürzlich hatte ich eine OP in einem Frankfurter Krankenhaus, zu dem mich meine Gynäkologin überwiesen hat. Vorausschickend möchte ich sagen, das meiste Personal ist dort sehr nett und einfühlsam. Im Dezember verbrachte ich einen halben Tag in diesem Krankenhaus, um vorbereitend für die OP mehrere Fragebögen händisch auf Papier auszufüllen, mehrmals befragt zu werden und noch eine gynäkologische Untersuchung zu machen.
Wegen schwerer Bronchitis über zwei Wochen, wurde die OP schließlich um eine Woche verschoben und so bat man mich einige Tage vor der OP noch mal vorbeizukommen, um mit der Anästhesistin zu sprechen. Da ich wegen meiner schlimmen Erlebnisse in der Vergangenheit panische Angst vor Venflons habe, war mir das gar nicht so unangenehm. Was ich aber nicht ahnte, war, dass eine der beiden Damen am Empfang der Meinung war, ich müsste den gesamten Parcours noch einmal durchmachen, da ja meine OP, wie sie sagte, 2 Mal??? (es war nur 1 x) verschoben wurde und der Parcours ja im Dezember letzten Jahres stattgefunden hätte. Daraufhin sagte ich, dass die OP ja nur eine einzige Woche verschoben wurde und ich ja sowieso dieses und nicht letztes Jahr operiert worden wäre, auch ohne Verschiebung.
Gott sei Dank, konnte ich eine Wiederholung des ganzen Wahnsinns mit Hilfe der diensthabenden Gynäkologin noch einmal abwehren. Denn die Ärztin rief unten an und fragte, warum ich denn nicht schon gehen dürfe und weshalb noch eine Urinabgabe geplant sei. Als sie die Antwort bekam, brachen wir beide in schallendes Gelächter aus. Sie lautete: „Die Dame könnte ja schwanger sein.“ Hallo? Ich bin 60 Jahre alt und hatte zudem 2014 eine Endometriumsablation, wie ja mehrfach in allen Unterlagen stehen müsste. Dennoch kostete mich das Ganze noch mal zwei Stunden und das Personal ebenfalls viel sinnlose Zeit.
Wozu die unzähligen Befragungen, wenn die wesentlichen Informationen untergehen?
Diese Endometriumsablation aus dem Jahr 2014 erwähnte ich natürlich mehrmals während der zahlreichen Befragungen und auch in den Fragebögen. Und ich erzählte auch mehrmals den Grund für die damalige OP: Nachdem ich ein Jahr lang durchgehend starke Blutungen hatte, war sie unvermeidlich, verlief aber damals ohne Komplikationen.
Sogar bevor man mich für die Narkose vorbereitete, sagte ich den anwesenden Ärztinnen und Schwestern noch einmal, dass ich die Prozedur ja schon kennen würde, da ich ja 2014 schon mal unters Messer musste.
Als ich dann aufwachte, der große Schock! Man sagte mir nur kurz, dass die OP abgebrochen werden musste, ich stationär aufgenommen werden müsse und gleich mehr erfahren würde. Und das wars erst mal. Für 4 Stunden!
Ich wartete in meinem Zimmer in Angst und Panik. Gott sei Dank, durfte mein Lebensgefährte mit. Er sprach immer wieder Krankenhauspersonal an, was denn nun passiert sei. Niemand wusste Konkretes, bis dann nach Stunden die Ärztin an mein Bett kam, die von den beiden operierenden Ärztinnen zu Hilfe gerufen wurde, als die Komplikationen auftraten und ich offenbar stark blutete. Sie sagte, meine Gebärmutter sei verletzt worden. Worauf ich fragte, ob denn die eigentliche OP trotzdem durchgeführt worden wäre. Sie antwortete: “Soweit ich weiß, ja“. Daraufhin strahlte ich sie begeistert an, zweifelte aber ein wenig an der Aussage und sagte ihr, dass alle anderen etwas Anderes gesagt hätten. Sie meinte: „Aha, ich frag lieber noch mal nach“.
Als sie nach einiger Zeit wiederkam, sagte sie nur, es tue ihr sehr leid, die OP sei doch nicht durchgeführt worden und müsse in einigen Wochen, wenn die Verletzung der Gebärmutter verheilt sei, wahrscheinlich wiederholt werden. Ich brach in Tränen aus und war total verzweifelt. Wochenlang durfte ich wegen der bevorstehenden OP mein so wichtiges Rheumamedikament nicht nehmen und für die nächsten Wochen wurden mir Schwimmen und Sauna versagt – beides so wichtig gegen meine Schmerzen und eine Versteifung der Gelenke und des Rückens. Wegen der zweiwöchigen Bronchitis konnte ich all das ja schon lange nicht tun. Und wofür das alles? Völlig umsonst, denn die OP wurde ja gar nicht durchgeführt.
Nun kommt der eigentliche Wahnsinn, weswegen ich diesen Beitrag schreibe: OPs können natürlich schief gehen, denn es sind ja Menschen am Werk. Aber ich sagte unter Tränen zur Ärztin, dass die schlechten Voraussetzungen ja auch für die nächste OP bleiben würden. Sie sagte, dafür würde man meinen Muttermund besser vorbereiten. Daraufhin sagte ich auch noch einmal, dass 2014 meine Gebärmutter ganz normal zugänglich gewesen sei. Die Ärztin sah mich erstaunt an und sagte nur: „Sie hatten 2014 schon mal eine Endometriumsablation? Das würde ja alles erklären. Denn bei der damaligen OP wurde ja die Gebärmutterschleimhaut verödet und der Gebärmutterhals wahrscheinlich deshalb so schlecht zugänglich.“
Ich war entsetzt und sagte nur: „Wozu musste ich all diese stundenlangen Befragungen über mich ergehen lassen und Fragebögen ausfüllen, wenn letztlich die wesentlichen Informationen niemand gelesen oder gehört hat?“
Und das war noch nicht alles – die Geschichte meiner Zimmernachbarin
Meine Bettnachbarin hatte eine Allergie gegen ein bestimmtes Schmerzmittel. Bei jedem einzelnen Besuch und Wechsel der Infusionsfläschchen wusste wieder keiner mehr um welches Medikament es sich handelte.
Jedenfalls ist IHRE OP gelungen. Dennoch muss erwähnt werden, dass sie diese nur machen musste, weil sie bei einer Untersuchung nach einer anderen OP in einer Arztpraxis infiziert wurde. Danach wurde sie mehrfach trotz massiver Schmerzen bei Ärzten abgewiesen, weil man ihre Beschwerden, ohne sie zu untersuchen, für eine Blasenentzündung hielt. Sie wurde über Wochen mit Antibiotikaempfehlungen vertröstet, bis ihre Eierstöcke komplett vereitert waren, was zu dieser OP und möglicherweise sogar zu Unfruchtbarkeit führte. Ein 24-jähriges Mädchen, das in einigen Wochen heiratet….
Und auch meine Geschichte geht weiter
Einen Monat nach der missglückten OP kam ich zur Kontrolluntersuchung, bei der ich erfuhr, dass diese OP gar nicht nötig gewesen wäre und auch nicht wiederholt würde. Soweit die gute Nachricht. Die schlechte: Die permanenten Unterleibsschmerzen würden von der Blase kommen und hier sei eine OP dringend empfohlen. In Details gehe ich diesbezüglich nicht. Nur so viel: Eine Abdomen MRT bestätigte dies.
Digitalisierung und bessere interne Vernetzung
Im Zeitalter der Digitalisierung sollte eine digitale Aufnahme von Daten effektive interne Vernetzung eigentlich kein Problem mehr sein – auch ohne Zustimmung zur elektronischen Patientenakte. Dies würde das Krankenhauspersonal entlasten und solche Fehler, die zu Lasten der Patienten gehen, vermeiden.
Und übrigens, ich könnte noch unzählige weitere Geschichten von anderen Menschen erzählen, die in den letzten Monaten Ähnliches erlebt haben.
Headerbild: Bild von Daniel Tibi auf Pixabay










